Adam: Aber Bruno, wer hat denn dich so in Rage gebracht?
Bruno: Es war ein Hippie.
Adam: Wirklich ein Hippie? Gibt es sie denn überhaupt noch?
Bruno: Ja, leider. Auf einen übrig gebliebenen Hippie bin ich gestoßen. Du weißt schon, einer von den sogenannten Blumenkindern, die uns von morgens früh bis abends spät mit ihren aggressiven Liedern gegen Krieg und die angebliche Zerstörung der Umwelt auf die Nerven gehen.
Adam: Angebliche Umweltzerstörung? Wird die Umwelt denn nicht wirklich zerstört?
Bruno: Sieh dich doch um, Adam. Wohin du auch blickst, überall grünt und blüht es … von Zerstörung kann wirklich nicht die Rede sein.
Adam: Womit genau hat dich der Spät-Hippie denn nun in Wut versetzt?
Bruno: Er warf mir vor, als Folge meiner Geldgier die Anzahl der Armen zu vergrößern. Als ich ihn höflich darauf hinwies, dass es purer Schwachsinn sei, was er da von sich gab, da fiel er völlig aus dem Rahmen und nannte mich einen Kapitalisten.
Adam: Bist du denn etwa kein Kapitalist?
Bruno: Selbstverständlich bin ich ein Kapitalist. Und darüber freue ich mich auch.
Adam: Dann verstehe ich deine Reaktion aber nicht. Der Späthippie nennt dich einen Kapitalisten, und du bist deshalb ärgerlich?
Bruno: Ich bin zwar ein Kapitalist, aber wenn dieser Späthippie den Begriff verwendet, ist das kein Lob, sondern eine Beleidigung. Und von so einem Hippie lasse ich mich doch nicht beleidigen.
Adam: Wie kam er denn überhaupt dazu, dich einen Kapitalisten zu nennen?
Bruno: Offensichtlich störte es den Hippie, dass ich ein Luxusauto fahre. Ich erklärte ihm dann freundlich, dass ich es mir nicht leisten könne, es mir in der sozialen Hängematte bequem zu machen, denn ich müsse Leistung zeigen.
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Adam: Daraufhin hat dich der Späthippie sicherlich gefragt, woher du wüsstest, dass du viel geleistet hast.
Bruno: Das stimmt genau. Hast du etwa auch schon mit diesen gescheiterten Typen zu tun gehabt?
Adam: Nicht direkt. – Aber was hast du ihm dann geantwortet?
Bruno: Leistung müsse sich lohnen, hab ich ihm als neue Erkenntnis vermittelt. Da besitzt dieser Verweigerer die Frechheit, zu behaupten, dass das, was ich von mir gebe, nur eine unbewiesene Behauptung sei.
Adam: Wie hat er das mit der Behauptung gemeint?
Bruno: Das war mir zunächst auch nicht so klar. Dagegen verstand ich sofort, dass ich nicht gerade jemanden mit viel Verstand vor mir hatte; deshalb ermunterte ich ihn sehr freundlich, einmal alles an Verstand, den er bei sich findet, zusammenzukratzen und sich von mir einmal etwas erläutern zu lassen.
Adam: Vermutlich war er hocherfreut, dass du ihm etwas erläutert hast – oder?
Bruno: Leider bin ich da nicht so sicher, denn er schaute mich ziemlich verdrießlich an. Aber ich vermute, dass es Menschen minderen Intellekts im Laufe der Jahre nicht mehr erfreut, wenn sie etwas hinzulernen können.
Adam: Und womit hast du dann schließlich sein Wissen vergrößert?
Bruno: Ich gab ihm etwas Nachhilfe in Logik.
Adam: Nachhilfe in Logik?
Bruno: Aber ja.
Adam: Jetzt bin ich aber gespannt.
Bruno: Zunächst hielt ich ihm die Prämisse vor die Nase.
Adam: Wie lautet sie?
Bruno: Ach, Adam, vielleicht solltest du mich nicht ständig unterbrechen!
Adam: Gut, ich werde mir Mühe geben. – Wie lautet denn nun die Prämisse?
Bruno: Leistung muss sich lohnen.
Adam: Hat er dem zugestimmt?
Bruno: Wahrscheinlich ja.
Adam: Wahrscheinlich ja? – Was soll das heißen?
Bruno: Darüber habe ich auch nachgedacht.
Adam: Vielleicht verrätst du erst einmal, was er tatsächlich gesagt hat.
Bruno: Was er gesagt hat? Ja richtig, das habe ich noch gar nicht verraten.
Adam: Ach, Bruno, du machst es aber sehr spannend.
Bruno: Auf meine allgemein anerkannte Erkenntnis Leistung muss sich lohnen sagte er nur na und?
Adam: Na und? – Das war alles?
Bruno: Daran kannst du ablesen, wie ihn dieses Argument getroffen hat. Ich vermute, dass er innerlich aufgegeben hat.
Adam: Das nehme ich auch an. Wenn man erkennt, dass der andere so weit vom eigenen Standpunkt entfernt ist, dass es mehr Zeit und Mühe kosten würde, Argumente zu präsentieren, als einem die Sache wert ist. Hast du dann auch aufgegeben?
Bruno: Nein, natürlich nicht. Der Wahrheit sind wir verpflichtet. Ich wiederholte also die Prämisse Leistung muss sich lohnen, wies auf mein Luxusauto hin und trumpfte dann auf: Das ist der Lohn. Ihn erhält man nicht, wenn man sich in der sozialen Hängematte auf die faule Haut legt.
Adam: Hat er darauf überhaupt noch eine Antwort gewusst?
Bruno: Nein, deshalb meinte er kleinlaut, er habe nicht die Belohnung infrage gestellt, sondern die Leistung.
Adam: An dieser Stelle hat er wohl aufgegeben und sich verzogen – oder?
Bruno: Nein, das hat er nicht gemacht. Jetzt kommt doch erst das, was mich in Wut gebracht hat: Auf meine Frage, ob er sich vorstellen könne, dass man das Luxusauto auch ohne Leistung erhielte, antwortet dieser Versager doch tatsächlich: Ja, er könne sich das sehr gut vorstellen, denn das sei doch das Übliche. Ich wollte ihm schon eine gepfefferte Antwort geben, als er noch das I-Tüpfelchen lieferte, indem er behauptete: Die einen leisten, und die anderen lassen sich dafür entsprechend belohnen. Bevor ich Luft holen konnte, um ihm meine Antwort in aller Deutlichkeit zu geben, fragte er mich schließlich noch, wer denn eigentlich die Leistung für mein Luxusauto erbracht habe.
Adam: Du hast ihm doch hoffentlich keine Faust ins Gesicht gedrückt!
Bruno: Nein, das habe ich nicht. Ich erkannte vielmehr, dass es sinnlos war, mit Menschen zu diskutieren, die nicht einmal über ein Minimum an Intelligenz und Verständnis für Logik verfügen. Denen kann man noch so gute Argumente liefern, sie verstehen sie nicht oder wollen sie nicht verstehen.
Adam: Du hast völlig recht, Bruno, solche Menschen gibt es. Das Schlimme daran ist, dass sie es selbst oft gar nicht merken, dass sie zu dieser Gruppe gehören.
Bruno: Dass sich Leistung lohnen muss, das weiß doch jeder. Gibt es daran etwas auszusetzen? Warum sollte sich wohl jemand anstrengen und etwas leisten, wenn er nicht mehr als das bekommt, was jeder Faulpelz erhält?
Adam: Dann würde sich Leistung doch gar nicht lohnen.
Bruno: Das ist doch mein Reden. Wer etwas leistet, soll für seine Leistung auch belohnt werden.
Adam: Hast du den Eindruck, Bruno, dass sich Leistung wirklich lohnt?
Bruno: Aber natürlich! Wir brauchen uns doch nur unsere Gesellschaft anzusehen. Die Leistungsbereiten können sich mehr leisten als die unwilligen Leistungsverweigerer in der sozialen Hängematte.
Adam: Nach deiner Überzeugung spiegelt unsere Gesellschaft die Leistungsbereitschaft seiner Mitglieder wider: Oben sind die Leistungsträger, die auch mehr verdienen, und unten sind die Verweigerer, die nicht selbst arbeiten wollen, sondern lieber andere für sich arbeiten lassen. Hast du eine Vorstellung, woher der Unwille kommt?
Bruno: Sie haben es nie kennengelernt, wie befriedigend es sein kann, für seine Arbeit bezahlt zu werden.
Adam: Für gewöhnlich wird nicht von Bezahlung gesprochen, sondern von der Arbeit und davon, wie befriedigend es sein kann, eine Arbeit sehr gut zu machen.
Bruno: Wenn es aber keine Bezahlung gibt, ist die Leistung doch ohne Sinn. Schließlich muss sich Leistung lohnen.
Adam: Und du meinst, Leistung lohne sich tatsächlich. – Was würdest du dazu sagen, wenn jemand käme und behauptete, dass sich in einer kapitalistischen Gesellschaft Leistung nicht lohne? Ich lese nämlich gerade in einem Buch*, dass sich Leistung eben nicht lohne, denn die Chancen für eine Karriere und damit verbunden für ein höheres Einkommen sind besser, wenn du um Leistung einen Bogen machst.
(* Wolf-Gero Bajohr: »Ein Weg in die Leistungsgesellschaft mit mehr Gerechtigkeit«)
Bruno: Da hat wohl jemand zu lange in der Sonne gelegen, oder er verwechselt Traum und Wirklichkeit.
Adam: Was bedeutet es genau, dass sich Leistung lohnen muss? – Soll gleiche Leistung gleich belohnt werden?
Bruno: Ja, so ist es.
Adam: Wenn alle Menschen ein gleich hohes Leistungsniveau hätten, müssten also auch alle eine gleich hohe Belohnung bekommen und hätten vielleicht alle große Vermögen, aber wären sie auch reich?
Bruno: Es sind ja niemals alle gleich leistungsbereit.
Adam: Das war allerdings nicht die Frage, Bruno. – Einfach einmal unterstellt, alle wären gleich leistungsbereit, und sie müssten Deiner Aussage nach gleich belohnt werden. Setzen wir weiter voraus, dass alle nicht nur gleich fleißig sind, sondern auch gleich sparsam, sodass nach einiger Zeit alle ein gleich hohes Vermögen haben. – Sind dann auch alle gleich reich?
Bruno:In dem Fall wären natürlich alle gleich reich.
Adam: Wären sie wirklich alle reich? Reich sein heißt doch, mehr als die meisten anderen zu haben. Wenn aber alle gleich reich sind, kann doch unter ihnen keiner wirklich reich sein, da schließlich alle über gleich hohe Vermögen verfügen.
Bruno: Haben sie nun große Vermögen gebildet oder nicht?
Adam: Sie haben alle viel geleistet und deshalb auch große Vermögen gebildet.
Bruno: Große Vermögen bedeuten, das die Eigentümer reich sind.
Adam: Ach Bruno! Wenn ein roter Ball bei anderen roten Bällen liegt, bleibt er selbstverständlich rot. Wie ist es mit großen Vermögen? Wenn auch alle anderen groß sind?
Bruno: Mir scheint, Adam, dass Du einiges durcheinander bringst.
Wolf-Gero Bajohr